Synästhesieraum

Die Nitsch Foundation greift mit einer weiteren Ausstellung den Synästhesiegedanken des Orgien Mysterien Theaters auf und spürt der Bedeutung des Zusammenspiels der Sinneseindrücke in Hermann Nitschs Arbeit nach.

Im Mittelpunkt steht die 2016 entstandene Installation „Synästhesieraum“, eine gemeinschaftliche Arbeit von Hermann Nitsch und Frank Gassner, die zu einer sinnlichen audio-visuellen Erfahrung einlädt.

Ob in der Musik oder Malerei, in beiden Fällen spricht Nitsch von Farben und Tönen, von Harmonien und Dissonanzen. Während seiner Frankfurter Lehrtätigkeit erarbeitete Hermann Nitsch mit seinen Studenten „farb- und formversuche“. Die entstandenen „Farbskalen“ veranschaulichten harmonische Verhältnisse und Konstellationen, die auch wesentlicher Bestandteil des Orgien Mysterien Theaters sind. Diese bestehen nicht nur innerhalb eines Mediums, den Farben sind im synästhetischen Sinn Töne, Geschmacks- und Geruchswerte zuzuordnen. Erst die Synästhesie der Sinneseindrücke führt zum Erleben des Gesamtkunstwerks.

Im Zuge der über die klassische Synästhesie hinausgehende Verdichtung im Orgien Mysterien Theater wurde die Tatsache der Wirklichkeit im Sinne der Form erweitert, die realen Geschehnisse des Orgien Mysterien Theaters bewirken mehr als die sinnlichen Eindrücke, die jeder reale Vorgang anzubieten hat -> POLYSYNÄSTHESIE.

 

„polysynästhesie ist verdichtung des vorhandenen, der wirklichkeit zu einer höheren wirklichkeit, zum dynamisch schöpferischen ereignis des seins. alles wird zu allem in vielfacher multiplizierender hinsicht in beziehung gesetzt. die vorhandenen optischen, geschmacks-, geruchs-, klang- und tastwerte werden ungewöhnlich phantastisch hyperrealistisch kombiniert zu den normalen sinneseindrücken der sich ereignenden aktion, des blut-, fleisch-, eingeweide- und räucherwerksgeruches, der wetter- und temperaturwahrnehmung. zu den sich ergebenden arbeitsgeräuschen der musik des o.m. theaters werden zusätzlich geruchs-, geschmacks- und farbmotive eingesetzt, auch drogen, vor allem naturreiner wein, werden kontrolliert verwendet. die geruchs- und geschmacksmotive (die mythischen leitmotive) werden mit dem handlungsablauf des o.m. theaters kombiniert.

alles wird schwelglerisch im sinne des vorhandenden überflusses üppigst ausgeweitet und in die wirklichkeit des seins gebracht. ein aus dem impuls des religiösen abgeleitetes ritual ereignet sich durch das spiel des o.m. theaters. das gesamtkunstwerk vollzieht sich, das universum beginnt zu dröhnen. das 6-tage-spiel demonstriert die konzentrierte durch die form gesteigerte erlebniswahrheit des seins. nach dem spiel werden die teilnehmer ins normale leben entlassen.“ – Hermann Nitsch, 2019

 

Für die Ausstellung „ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater“ im Theatermuseum Wien, wurde Frank Gassner 2016 vom Kurator der Ausstellung Dr. Hubert Klocker gebeten eine raumgreifende Videoinstallation zu erarbeiten.

Frank Gassner war nicht nur viele Jahre der persönliche Assistent von Hermann Nitsch sondern erstellte neben vielen auch die Videos für die Operninszenierungen des Künstlers, „Szenen aus Goethes Faust“, Opernhaus Zürich, 2007 sowie für „Saint François d´Assise“, Bayerische Staatsoper, 2001.

 

„Thematische Klammer der Bewegtbildfolge ist der synästhetische Aspekt des orgien-mysterien-theaters. Auf Basis meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit und der mir bekannten losen bildlichen und filmischen Konzepte und Konzeptionen von Hermann Nitsch schuf ich eine vierteilige Videoarbeit in der das orgien-mysterien-theater in seiner gesamtkunstwerkhaften Gestalt begreifbar wird. Rhythmisiert durch das Chroma von Farbskalen treten die Disziplinen des orgien-mysterien-theaters in innige visuelle Kommunikation und legen ein breites Spektrum an Farben, Bauteilen und thematischen Bezügen aus.

Die hier erstmals gezeigte monotyptichonale Arbeit erhält die im Videoraum erlebte visuelle Gleichzeitigkeit der vier Projektoren durch ihre Paketierung und destilliert daraus erneut Sinn- und Bildbezüge. (…)“ – Frank Gassner, 2016

Weiterführende Informationen zu Frank Gassner und seinen Arbeiten finden Sie unter www.frankgassner.org .

 

8. September 2022 — 31. Januar 2023

Nitsch Foundation
Hegelgasse 5
1010 Wien
Österreich
www.nitsch-foundation.com

Dienstag bis Freitag 10 — 18 Uhr
Eintritt frei