Hermann Nitsch
Bayreuth Walküre
Der Universalkünstler Hermann Nitsch wurde von den Bayreuther Festspielen eingeladen, im Sommer 2021 eine konzertante Version von Richard Wagners „Die Walküre“ szenisch zu begleiten. Nitsch hat für jeden der drei Akte eine umfangreiche Malaktion konzipiert. Ein großer Teil der bei den drei Aufführungen am Grünen Hügel in Bayreuth entstandenen Werke sind nun in der Ausstellung „Hermann Nitsch – BAYREUTH WALKÜRE“ im nitsch museum Mistelbach zu sehen. Ein Mitschnitt der Generalprobe komplettiert die Schau.
„wagner hat mich mein ganzes leben fasziniert. wegen dieser wunderbaren, schwelgerischen, sinnlichen musik, die den klang über die melodie hinaus zum blühen bringt. die kunst war schon in ihren ersten auftrittsformen mit dem kult, der religion und dem gesamtkunstwerk verbunden. und wagner ist der freileger des gesamtkunstwerks. er hat es zum aufleuchten gebracht.“ – Hermann Nitsch
Alle drei Akte der „Walküre“ wurden von einer in sich geschlossenen Malaktion begleitet, bei der die Partitur mithilfe von zehn Malassistent*innen Szene für Szene in leuchtende Farben transformiert wurde. Pro Aufführung wurden über 1000 Liter Farbe verschüttet.
Bei dieser Inszenierung in Bayreuth verschmolzen zwei Giganten des Gesamtkunstwerkes.
„es ist nicht so, dass ich eine inzenierung aufbaue, die der walküre entspricht, sondern ich führe eine malaktion durch, die wohl indirekt mit der farbenprächtigen, breit ausladenden musik von richard wagner zu tun hat. die liebe zu wagners musik hat mich immer berauscht. die malvorgänge sollen wie musik sein. klänge werden zu farben und die partitur von wagner lockt mich in die auswahl meiner farben.“ – Hermann Nitsch
Die daraus entstandenen Boden- und Wandschüttbilder sind die Basis für die Gesamtinstallation, die in der Ausstellungshalle in Mistelbach zu sehen ist.
„obwohl ursprünglich nicht daran gedacht war direkt auf die oper einzugehen, bewirkt die gewalt und pracht der musik, dass meine theatralisch verstandene aktionsmalerei doch auf die musik direkt bezugnimmt. der beginn des ersten aktes, das gewitter, wird sich mit blauen, grünen und violetten farben, die verschüttet und von den bühnenwänden rinnen werden, übermitteln. die vermählung von sieglinde und siegmund wird die farbe der blutschande, die farbe rot sprudeln und fliessen lassen. im zweiten akt wird die todesverkündung durch brünnhilde strahlende helle, weisse farben verlangen. bei der tötung siegmunds werden wieder rote und vielleicht sogar schwarze farben eingesetzt werden. beim dritten akt wird das motiv des feuers nach orange-, gelb- und rottöne (rottönen) verlangen. unsere farben werden noch mit hellster beleuchtung unterstützt werden.“ – Hermann Nitsch
Zudem zeigt die Ausstellung Einblicke in die Aufführung aus Bayreuth. Die raumübergreifende Installation im nitsch museum versteht sich als Vorbote auf das 6-Tage-Spiel in Prinzendorf, welches im Juli 2022 stattfinden wird.
Im Zentrum von Nitschs Gesamtkunstwerk steht das Orgien Mysterien Theater, in das alle Bestrebungen des Künstlers münden. Alles, was Nitsch erschafft, denkt, schreibt, malt, zeichnet, inszeniert oder komponiert dient der Weiterentwicklung dieser Grundidee. Es geht um Gegenwärtigkeit, Unmittelbarkeit, Intensität, Abreaktion und Katharsis. Für das Orgien Mysterien Theater hat Nitsch den gängigen Theaterbegriff erweitert. Die Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum ist aufgehoben, wodurch jeder Anwesende zum Spielteilnehmer wird, der die Geschehnisse unmittelbar und mit allen fünf Sinnen erfahren kann. Mit dem Konzept des Orgien Mysterien Theaters und den von vielen als radikal empfundenen Aktionen revolutionierte Hermann Nitsch den Theaterbegriff des 20. Jahrhunderts.
Die darstellenden Künste übten schon seit seiner Jugend eine große Faszination auf Hermann Nitsch aus. Aus diesem Grunde realisiert er nicht nur seine eigenen Aktionen, sondern folgt auch immer wieder dem Ruf namhafter Opern- und Theaterhäuser und wirkt an Fremdinszenierungen mit. Unter anderem war er 1995 für szenische Konzeption, Bühnenbild und Ausstattung von Jules Massenets „Hérodiade“ an der Wiener Staatsoper verantwortlich. 2011 inszenierte er „Saint Francois d‘Assise“ von Olivier Messiaen an der Bayerischen Staatsoper.